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Stolpersteine für Jesberg - Bahnhofstraße Nummer 13 und 15
Stolpersteine für:
Johanna (Schloss) und Hermann Rosenbaum
Sohn Gunther Julius Rosenbaum
und Lisette Schloss Gans
Hermann und Johanna Rosenbaum betrieben in den 1920er Jahren in Jesberg ein Gemischtwarengeschäft in der Bahnhofstraße Nummer 15, dem Haus von Johannas Eltern. Johanna stammte aus der jüdischen Jesberger Familie Schloss, die schon seit dem Jahr 1903 im Ort lebte. Tochter Ilse wurde aus heute uns unbekannten Gründen am 11. Januar 1922 in Marburg geboren. Ihr Bruder Julius Günther wurde dagegen am 21. August 1926 in Jesberg geboren. Die Familie lebte damals in der Bahnhofstraße Nummer 22.
Auf einer dreiteiligen Postkarte, die vermutlich Ende der 1920er Jahre aufgelegt wurde, war das im Jahr 1928 gegründete Rosenbaumsche Gemischtwarengeschäft abgebildet, welches Hermann und Johanna gegründet haben. Da Hermann auf dem Geburtseintrag von Sohn Julius Günther als Reisender im Sinne von Handelsreisender bezeichnet wird, kann davon ausgegangen werden, dass sich Johanna um das gemeinsame Ladengeschäft kümmerte. Im Geschäft wurde mit Kolonialwaren, Glas, Porzellan, Spirituosen und Tabakwaren gehandelt. Die Familie scheint gut integriert gewesen sein, denn von Tochter Ilse gibt es aus diesen Jahren eine Fotografie, die es als fünf- oder sechsjähriges Kind in Schwälmer Tracht zeigt. Die Familie war finanziell abgesichert, die Welt schien in Ordnung gewesen zu sein. Doch dann begann ab dem Jahr 1930 der Aufstieg der Nationalsozialisten, der in die Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1933 überging. Damit änderte sich das Leben der Familie grundlegend.
Vom finanziellen Gewinn der 1920er Jahre war nach vier Jahren nationalsozialistischer Herrschaft nichts mehr geblieben, im Gegenteil. Am 16. Februar 1937 schrieb Hermann in seiner Not an die Gemeindevertretung in Jesberg: „Mein Einkommen ist leider so gering, dass [ich] seit einigen Jahren von der Zahlung der Einkommenssteuer befreit bin. Ich habe 2 unmündige Kinder, und zwar 1 Mädchen von 15 Jahren und ein[en] Junge][n von 9 Jahren. Das Mädchen ist seit Mai 1936 zur Erlernung des Haushalts in Dessau und bezieht als Entlohnung nur ein kleines Taschengeld, wozu ich zur […] Bekleidung noch [Geld] beisteuern muß. Der Junge besucht die Isr[aelitische] Volksschule in Kassel, und ist in Verpflegung, [er ist in einer] Wohnung im Isr[aelitischen} Waisenhaus, Kassel, untergebracht. Hierfür muß [ich] monatl. den Betrag von M. 15.- aufbringen. Ich bitte höfl. um Erlass der Bürgersteuer für das Jahr 1937“. Einen Tag später fügt Jesbergs Bürgermeister die Bemerkung an, dass Hermann Rosenbaum im Jahr 1935 ein Einkommen von 3.104.- RM hatte. Im Jahr 1938 war Hermann gezwungen, sein Geschäft aufgeben.
Zuvor musste er die Reichspogromnächte im November 1938 in Jesberg erleben. Dazu Zeugenaussage vom Meister der Gendarmerie a.D. Heinrich Siebert am 5. November 1948: […] „Anschließend stellte ich fest, daß die Wohnung des Kaufmanns Hermann Rosenbaum, in derselben Straße gelegen, restlos zertrümmert u. fast alle Gegenstände, ein Teil der Möbel, Kleidungsstücke und Ladeninhalt auf die Straße geworfen waren“. […]. Ergänzend dazu die Zeugenaussage von W. S. vom 2. Mai 1949: […] „Mein Haus und das frühere Haus Rosenbaum […] bilden ein Doppelhaus. […] Am genannten Tage gegen 23.00 Uhr erwachte ich; ich hatte mich nämlich schon zu Bett gelegt und war eingeschlafen. Vor unserem Hause war grosser Lärm. Fensterscheiben wurden eingeschlagen. Meine Frau war noch wach gewesen und nach dem Hof gegangen. Sie erzählte mir, dass sie sich auf dem Hofe mit den Leuten herumgestritten hätte, die Fensterscheiben auch bei uns eingeschlagen hatten. Ich war darüber sehr aufgebracht und lief, ohne mich weiter um die Vorgänge im Hause Rosenbaum zu kümmern, ins Dorf, um die Polizei und den Bürgermeister zu holen. […] Als ich zurückkam, musste ich feststellen, dass vor dem Hause Rosenbaum allerhand Möbel und sonstige Gegenstände lagen, die aus der Wohnung herausgeworfen worden waren. Vor dem Haus hatte sich eine grosse Menschenmenge angesammelt. Der später hinzugekommene Bürgermeister […] forderte die Menge auf, sich zu entfernen. Darauf ging die Menschenmenge auseinander. Im Haus Rosenbaum selbst war inzwischen Ruhe eingetreten“. […] Was im Haus selbst vor sich gegangen war, habe ich erst später gesehen, als Rosenbaum wieder zurückkehrte. Das mag etwa 14 Tage später gewesen sein. Dabei erzählte er mir, dass er Frau […], Frau […] und Frau […] gesehen habe, als er an dem genannten Abend aus seinem Hause geführt wurde. Diese sollen nach seiner weiteren Erzählung vor seinem Schrank gegessen und Wäsche herausgenommen haben - wie er - selbst gesehen habe, als er abgeführt wurde“.

Hermann und Johanna Rosenbaum Anfang der 1920er Jahre (Fotografie: Nachlass Ilse Salomon)
Von Mitte des Jahres 1939 bis zu seiner Deportation im Jahr 1942 musste Hermann Zwangsarbeit verrichten. Darüber schrieb Tochter Ilse im September 1959: „Bei der Arbeitsleistung stand mein Vater, ebenso wie alle anderen jüdischen Arbeiter unter militärischer bzw. polizeilicher Bewachung. Die jüdischen Zwangsarbeiter waren während der Arbeit, der Essenseinnahme und der nächtlichen Unterbringung von den freien Arbeitern vollkommen abgesondert. Mein Vater wurde häufig durch Körperstrafen verletzt. Die Lebensmittelrationen der jüdischen Arbeiter waren geringer als die der ´arischen Kollegen´. Während sich die übrigen Arbeiter nach Arbeitsschluss frei bewegen konnten, wurde mein Vater mit den anderen jüdischen Zwangsarbeitern in den Barackenunterkünften eingesperrt und bewacht. Auch im übrigen wurde er polizeilich laufend kontrolliert“.
Hermann wurde am 15. September 1942 zusammen mit seiner Ehefrau Johanna, geborene Schloss, von Frankfurt a.M. ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Johanna wurde am 27. November 1891 in Allendorf a.d. Landsburg (Ziegenhain) geboren. Von Theresienstadt wurde das Ehepaar am 16. Mai 1944 ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verbracht, wo Ilses Mutter ermordet wurde. Hermann wurde später in das Konzentrationslager Ebensee (ein Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen, Oberösterreich) überstellt, wo er am 16. Januar 1945 verstarb.

Lisette
und Moses Schloss, Ilses Großeltern, im Jahr 1922. Die Fotografie wurde im
Treppenaufgang ihres Hauses aufgenommen, in der Mitte ist Schwiegertochter Erna
(die Ehefrau von Jakob Julius Schloss) zu erkennen.
(Fotografie: Archiv Edmund Schloss,
USA)
Johannas Mutter, Jettchen Schloss, geboren am 15. Februar 1856 in Jesberg-Densberg, wurde zusammen mit ihren Kindern im September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Hier verstarb sie am 14. Oktober 1942. Ihr Mann Moses (geboren am 11. Dezember 1852 in Allendorf a.d. Landsburg) verstarb im Alter von 80 Jahren am 31. März 1933 in Jesberg. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof der Gemeinde beigesetzt.
Johannas und Hermanns Sohn Günter Julius Gustav Rosenbaum besuchte zunächst die Volksschule in Jesberg, später eine Volksschule in Frankfurt a.M. Er lebte zuletzt in Frankfurt a.M. (zuvor auch kurz in Kassel). In der Mainmetropole begann er eine Ausbildung zum Tischler, die er aber nicht beenden konnte. Von Frankfurt aus wurde im Jahr 1942 nach Lublin in Polen deportiert, wo er am 27. November 1942 ermordet wurde.
Leider erlaubt es ihr gesundheitlicher Zustand nicht, das Jane Salomon Rundell, die Enkeltochter von Johanna und Hermann Rosenbaum und Nichte von Julius Gunter Rosenbaum, knapp 77-jährig sich von Chicago/USA aus aufmachen kann, um persönlich bei der Stolpersteinverlegung für ihre Eltern und weitere Verwandte in Jesberg anwesend zu sein. Aber geistig wird sie an diesen in Jesberg sein.
Das zeigt auch die Publikation von Thomas Schattner und Rainer Scherb, zu der Jane Salomon Rundell zahlreiche Dokumente und Fotografien aus ihrem Privatarchiv zur Verfügung gestellt hat. Der reich bebilderte Band von 269 Seiten mit dem Titel „Ilse Rosenbaum/Salomon und ihre Familie: Ein jüdisches Schicksal aus Jesberg in Nordhessen“ ist bei Amazon erschienen und kostet 15.- Euro.
Geschrieben von Thomas Schattner
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